Der BuchKindergarten ist als Initialprojekt in einem bürgerinitiierten, städtebaulichen Entwicklungsprozess in einem von Verfall und Leerstand gekennzeichneten Quartier entstanden. Die konzeptionellen Wurzeln gründen in den langjährigen Erfahrungen des Buchkinder Leipzig e.V., der Kinder in ihrem schöpferischen Prozess und persönlichen Ausdruck über Text und Bild bis hin zum eigenen Buch begleitet. In Übertragung der einschlägigen Methoden auf den Bereich der frühkindlichen Bildung, eröffnete der Verein im März 2013 den ersten BuchKindergarten Deutschlands für 119 Kinder mit eigenem pädagogischen Konzept.
Das Buch im BuchKindergarten steht für unser Verständnis von Kindsein im gesellschaftlichen Kontext. Kinder wollen sich mitteilen, sich erproben und wirksam werden. Mit dem Buch als Medium ermöglichen wir es Kindern, sich Gehör zu verschaffen, sich mit ihren inneren Bildern, Gedanken, Fragen und Ideen zu zeigen, sich untereinander und auch generationenübergreifend auszutauschen. Das, auf diese Erfahrungen basierende, Vertrauen in die eigene Wahrnehmung und Kreativität ist der eigentliche "Schatz" der Buchkinderarbeit, welche somit das notwendige Rüstzeug für die Gestaltung des eigenen Lebens bis hin zur aktiven Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft bietet.
Kindorientierung und prozesshaftes Arbeiten
Pädagogische Haltung
Die Fähigkeit der Kinder, sich zu begeistern ist Motor unserer prozesshaften, pädagogischen Arbeitsweise. In jenen Situationen, in denen Kinder sich interessiert in ihre eigenen Themen vertiefen und spielerisch ihren eigenen Ausdruck finden, liegt der Schlüssel für wertvolle Erfahrungen der eigenen Wirksamkeit – im Kontakt mit sich und der umgebenden Welt. Die liebevolle Hinwendung, das genaue Hinschauen der erwachsenen Begleiter ermöglicht es, Impulse der Kinder so aufzugreifen, dass sich an ihnen Prozesse entspinnen, in die sich auch andere Kinder mit ihren Ideen und ihren ganz persönlichen Voraussetzungen aktiv mit einbringen können.
So entstehen bis zu mehrtägig andauernde Inszenierungen, Spiele, Aufführungen oder komplexe Malprozesse. Eine banale Alltagssituation — wie etwa die Lieferung von Schalldämmzylindern in das Foyer der Kita — gibt dann beispielhaft den Anlass und das Material für einen spektakulären Kulissenbau aus Karton-Verpackungen.
Raum und Material
Die Architektur der Räume ist entsprechend zurückhaltend. Farbigkeit und auch Raumstrukturen sind durch die Kinder selbst formbar. Wechselnde Ausstellungen, wandelbare Freiflächen, Zeigekreise, Wortschöpfungen (wie Druckhelfererzieher, Kritzelpossinal, Drucktage.) u.a. ermöglichen es den Kindern, Spuren zu hinterlassen und deren Wirkung zu erforschen.
Das Herzstück des Buchkindergartens bildet die eigene Druck- und Schreibwerkstatt: hier findet die kindliche Phantasie ihren Ausdruck über Text und Bild, bis hin zum eigenen Buch. Das Interesse für das Lesen und Eintauchen in weitere Weltsichten und Phänomene findet seinen Widerhall in der zentral gelegenen Bücherei im Foyer des BuchKindergartens. Mit einem durch die Kinder selbst erarbeiteten Sortier- und Ausleihsystem ist der freie Zugang und eigenständige Umgang mit Büchern möglich.
Selbstverständnis einer inklusiven, kognitiv vielfältig orientierten Einrichtung
Die Heterogenität der Menschen im Stadtteil spiegelt sich in der Vielfalt des BuchKindergartens wider. Ein inklusives Bildungsverständnis ist elementare Grundlage der Begegnungen im Alltag. Wir praktizieren ein bewusst vorurteilfreies Aufnahmeverfahren und entwickeln einen sensiblen Umgang hinsichtlich der Diversität verschiedener Kulturen und Lebenswelten.
Jedes Kind ist willkommen, alle Angebote sind frei zugänglich.
Partizipation und Gestaltung der Zusammenarbeit
Bildung als einen partizipativen Prozess zu verstehen, ist Grundlage unseres täglichen Handelns. Die Fragen der Kinder geben die Themen vor. So gehen auch die Aktivitäten vom Kind selbst aus, werden durch sie ausgehandelt.- die Erwachsenen im BuchKindergarten tragen ein hohes Maß an Verantwortung zur Gestaltung des Rahmens, der all dies ermöglicht.
Eigenverantwortliches Arbeiten im Team
Die Auswahl des Teams - in der Vielgestaltigkeit der Lebensentwürfe, beruflichen Hintergründe, Biografien und Charaktere gibt – nicht nur den Kindern Anknüpfungspunkte und Anregungen. Um mit der Verschiedenartigkeit der Erwachsenen und Kinder, aus einer gemeinsamen Aufgabenstellung und einem Verantwortungsbewusstsein heraus, für die Betreffenden nachvollziehbar, agieren zu können, bedarf es einem stetigen Austausch und Reflexion. Voraussetzung hierfür ist die Wachheit der Pädagog*innen, die Klarheit des Erzählens über die Beobachtung der jeweiligen Situation. Die, an diesen Austausch anknüpfende, Lernerfahrung bildet die Grundlage für die Überprüfung und Weiterentwicklung der Konzeption der Kita. Für diese Betrachtungen, aber auch für den Aufbau einer fehlerfreundlichen Kommunikations- und Verantwortungskultur in einer flachen Hierarchie wurden verschiedene Formate entwickelt.
Zusammenarbeit mit Familien
Die Eltern sind, im gegenseitigen Austausch und mit ihren Gestaltungsmöglichkeiten, wichtige Partner im Kindergartenalltag. Die Elternbeiratsgründung wurde durch die Geschäftsführung bereits im Vorfeld der Eröffnung der Kita initiiert.
Auf Basis unserer pädagogischen Haltung und Vision laden wir die Familien der Kinder zu verschiedenen Gelegenheiten immer wieder ein, Teil unseres Kindergartens zu werden (Offene Werkstatt, Elternbeirat, Abschlussfest der Vorschulkinder, Lesungen, Einblick in die Gruppentagebücher u.a.)
Gestaltung im Sozialraum
Die Lebenssituationen der Familien und Kinder im Sozialraum sind Ausgangspunkt für die, am Kind orientierte, pädagogische Tagesplanung durch das Team. Eine im Gebäude integrierte, öffentliche Tauschbibliothek und der sich zum Straßenraum öffnende Vorplatz der Kita sind das Ergebnis einer bewussten Planung und bieten willkommene Anlässe für unverbindliche Gesprächssituationen.
Stadtteilerkundungen der Kinder erweitern ihren Erlebnisradius. Ein benachbarter Verein lädt zu selbstgekochten Mahlzeiten ein. Vorschulkinder präsentieren am eigenen Messestand des Vereins auf der Leipziger Buchmesse ihre Buchprojekte. Die Kita ist Austragungsort für öffentliche Lesungen von Neuerscheinungen in Zusammenarbeit mit Verlagen im Rahmen von „Leipzig liest“. Die räumliche Ausweitung des jährlichen Sommerfestes und des Lichtzeitabschlusses der Kita in den Straßenraum hinein, schafft Schnittstellen in die Nachbarschaft, so auch die Mitgestaltung von Stadtteilfesten wie die „Parade der Werktätigen“ zum Bohei & TamTam oder den Lichtspielen.
Weitere Synergien bilden sich durch die Vernetzung mit anderen Institutionen wie RAA Leipzig - Verein für interkulturelle Arbeit, Jugendhilfe und Schule e.V., Buchmesse Leipzig, Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge, verschiedene Kulturvereine, Netzwerk therapeutischer Einrichtungen, AK Sexualpädagogik, benachbarte Schulen und Kitas allgemein als auch Unternehmenskooperationen im Umfeld.